Examensvorbereitung

Die Vorbereitung auf die staatliche Pflichtfachprüfung (erstes Staatsexamen) wird allgemein als die härteste Zeit im Studium angesehen. Auf dieser Seite geben wir Expertentipps an Euch weiter und stellen Hinweise zu weiterführenden Informationen bereit.

Ratschläge für die Examensvorbereitung

 

Prof. Dr. Heiko Sauer

Liebe Studierende,

jetzt ist Crunch-Time. Wenn ich an der Tischtennisplatte stehe und mein Gegenüber ruft mir das zu, werde ich immer etwas nervös. Wenn es gut läuft, kriege ich es unter Kontrolle und bin wach genug, um das Spiel zu gewinnen. Wenn es nicht gut läuft, lasse ich mich provozieren, verliere die Konzentration und mache leichte Fehler. So ist das mit dem Examen auch: Es geht darum, den Druck zwar zu spüren, dabei aber nicht zu verkrampfen – in der unmittelbaren Prüfungssituation und davor.

Ich würde Ihnen dreierlei raten – wobei ich grundsätzlich meine, dass es allzu viele universelle Ratschläge gar nicht gibt, denn vieles ist einfach Typfrage. Bleiben Sie in der Spur, machen Sie sich nichts vor und sorgen Sie für einen Ausgleich. Es bringt nichts, wenn man alle paar Wochen nach einer neuen Strategie sucht. Entscheiden Sie sich bewusst für einen Weg, machen Sie also nichts einfach nur, weil andere es auch machen. Und haben Sie dann etwas Geduld: Es dauert, bis sich der Überblick über den Stoff und eine gewisse Souveränität einstellen. Es lohnt sich aber, denn es macht einfach Spaß, wenn man merkt, dass man die Dinge immer besser in den Griff bekommen. Und haben Sie auch Geduld mit sich: Sie sollten zwar nicht dauernd hinter ihren Zielen zurückbleiben, aber wenn es mal nicht so läuft mit der Konzentration und dem Output, dann gehen Sie einfach einen frühen Aperol Spritz trinken und fangen am nächsten Tag eine Stunde früher mit dem Arbeiten an. Bei aller Beharrlichkeit sollten Sie natürlich merken, wenn es nicht läuft, und nicht nur so tun, als wenn es laufen würde (z.B. keine Falllösungen durchlesen und sich dabei sagen, „das hätte ich auch gewusst“!). Arbeiten Sie lieber konzentriert (ohne Handy!) und machen dafür früher Schluss. Die Examensphase dauert – auch ohne Abschichten – zu lang, als dass man dauerhaft auf alles verzichten sollte, was das Leben lebenswert macht. Fahren Sie Ihre Verabredungen, Ihren Sport und Ihre sonstigen Hobbies nicht radikal herunter, sondern versuchen Sie sich an einem vernünftigen Ausgleich. Ganz so, als würden Sie „arbeiten gehen“ – dann hätten Sie ja auch irgendwann Feierabend!

Ich drücke Ihnen die Daumen, dass Sie das gut hinbekommen, sich von den typischen Rückschlägen nicht entmutigen lassen – dass Sie am Ende das Spiel gewinnen!

Alles Gute wünscht Ihnen: Prof. Dr. Heiko Sauer

Prof. Dr. Heiko Sauer lehrt an der Universität Bonn und leitet das dortige universitäre Repetitorium, den “Bonner Examenskurs”.

 

Prof. Dr. Frank Weiler

„Weniger ist mehr“ – das klingt für Examenskandidat*innen, die sich gerade in anstrengenden Vorbereitung befindet, sicherlich gut – und es stimmt!

Aber Vorsicht: Gemeint ist damit nicht, dass man weniger arbeiten soll – es sei denn, man übertreibt es bereits. Der Examensstoff ist leider sehr umfangreich und die Anforderungen im Examen sind hoch. Wer Erfolg haben will, muss sich gut vorbereiten. Das aber braucht wegen der Stoffmenge und der Komplexität der Dinge Zeit. Jemand, der nicht Jura studiert, kann nur entsetzt mit dem Kopf schütteln, dass Jurastudierende sich ein Jahr und länger auf ihr Examen vorbereiten. Aber man braucht tatsächlich so lange. Und man muss in dieser Zeit fleißig sein. Da reichen drei, vier Stunden am Tag nicht aus. Examensvorbereitung ist ein Vollzeitjob. Um voran zu kommen und auch Zeit für Wiederholungen zu haben, sollten sechs bis sieben Stunden effektive Lernzeit pro Tag eingehalten werden. Aber: Noch wesentlich mehr (werk)tägliche Lernzeit bedeutet nicht, dass man mehr lernt. Die Aufnahmekapazität des Gehirns ist begrenzt und konzentriertes Lernen (gerichtet auf Verstehen, nicht etwa nur Lesen und/oder Auswendiglernen) kostet Kraft. Sie brauchen in der Vorbereitungszeit auch Erholung, Ausgleich, Freunde und Sozialleben. Für diejenigen, die es übertreiben und etwa Tag für Tag von 8 bis 22 Uhr am Schreibtisch sitzen, gilt „Weniger ist mehr“ auch für die Arbeitszeit.

Mit „Weniger ist mehr“ ist gleichwohl etwas anderes gemeint. Es geht um das, was man lernt. Viele haben einen ganz starken Fokus auf Problemwissen. Sie „lernen“ ein Problem nach dem nächsten, oft wird es dabei nur auswendig gelernt, also nicht verstanden, sondern nur abgespeichert. Wenn dann aber eine Klausur kommt, in der tatsächlich eines der bereits gelernten Probleme auftaucht, wird es gar nicht erkannt oder der Umgang mit dem Problem gelingt nicht. Woran liegt das? Es fehlt oft am „Unterbau“, also an Grundwissen, Normkenntnis und Systemverständnis. Deshalb werden Probleme schon beim Lernen oft nicht verstanden, sondern nur abgespeichert. Das hilft aber bei den Problemen in einer Klausur nicht. Und vor allem: Die Klausur besteht nicht nur aus Problemen. Die anderen Teile der Prüfung sind ebenfalls wichtig. Auch diese Teile können ohne das notwendige Grundwissen, die Kenntnis einschlägiger Normen und die Einhaltung der Gutachtentechnik nicht erfolgreich bewältigt werden.

„Weniger ist mehr“ heißt weniger (aber nicht: kein) rechtsproblemorientiertes Lernen. Das verschafft Zeit, für den am Beginn der Examensvorbereitung oft fehlenden „Unterbau“ zu sorgen. Mit ihm und einer sauberen Arbeitstechnik werden Sie Probleme besser verstehen, im Fall erkennen und auch selbständig lösen können.

Viel Erfolg!

Prof. Dr. Frank Weiler ist Studiendekan der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Bielefeld. Er leitet zudem das Examinatoriumsbüro, welches das universitäre Repetitorium organisiert.

 

Prof. Dr. Markus Ogorek, LL.M. (Berkeley)

Liebe Studierende,

an der Reaktion auf das Wort „Examensvorbereitung“ lässt sich in aller Regel zuverlässig ablesen, wie weit das Gegenüber in der juristischen Ausbildung fortgeschritten ist. Während jene, die die Staatsprüfung bereits absolviert haben, zunehmend verklärt auf sie zurückblicken, ist in den Augen vieler ExamenskandidatInnen echte Angst zu erkennen. Die nachstehenden Empfehlungen sind sicher kein Patentrezept, spiegeln aber zumindest meine eigenen Erfahrungen wider:

1. Gesamtverständnis will Weile haben

Als Student hatte ich Jura lange nicht „zusammenhängend“ verstanden und daher nur zögerlich gelernt. Falls es Ihnen ähnlich geht, lassen Sie sich davon (anders als ich) bitte nicht entmutigen. Die Examensvorbereitung dient dazu, das „lose“ erworbene Wissen zu verknüpfen. Wenn Sie im Repetitorium aber noch erhebliche Grundlagenlücken aufweisen, bürden Sie sich selbst einen unnötig hohen Arbeitsaufwand auf. Daher: Bleiben Sie bitte von Anfang an am Ball!

2. Trainieren Sie Falllösungen

Viele ExamenskandidatInnen neigen aus Angst vor fachlicher Überforderung paradoxerweise dazu, immer tiefer in Lehrbüchern zu verschwinden. Sie verlieren dabei den Charakter des Examens aus dem Blick! Schreiben Sie besser jede Woche eine Probeklausur, bestenfalls extern korrigiert. Und, so banal es klingen mag: Lesen Sie die Voten und Randbemerkungen der KorrektorInnen, anstatt die Arbeiten aus Frust über die eine oder andere schlechte Note wegzulegen.

3. Jura ist nicht alles im Leben

Auch wenn Sie es schon oft gehört haben mögen – kaum etwas ist schlimmer, als wenn Sie beinahe roboterhaft jeden Tag in der Bibliothek verbringen, im Grunde aber „gar nicht mehr können“ und sich daher von Gesprächen, Kaffeeholen oder Handynutzung ablenken lassen. Gestehen Sie sich (bitte!) echte Freizeit zu.

Ich wünsche Ihnen alles Gute und viel Glück!

Herzliche Grüße

Ihr

Markus Ogorek

Prof. Dr. Markus Ogorek, LL.M. (Berkeley) ist Direktor des Instituts für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre an der Universität zu Köln. Er ist zudem Prüfer in der staatlichen Pflichtfachprüfung.

Weiterführende Informationen

Acht Tipps für die gute Examensvorbereitung von Prof.’in Dr. Dr. h.c. Barbara Dauner-Lieb (Universität zu Köln) und Prof.’in Dr. Anne Sanders (Universität Bielefeld) findet Ihr HIER.

Im Examensspezial des LTO-Podcasts “Irgendwas mit Recht” steht Prof.’in Dr. Dr. h.c. Barbara Dauner-Lieb (Universität zu Köln) Rede und Antwort rund um die Themen Examensplanung, Stressbewältigung und gutes juristisches Handwerkszeug. Die im Frühjahr und Sommer 2021 laufende Serie findet Ihr HIER.

Regelmäßige Lerntipps und Erfahrungsberichte könnt Ihr auch im Podcast “Jura und die Welt da draußen” hören. Den Podcast, gemacht von Studierenden für Studierende, findet Ihr HIER.

Justizprüfungsämter

Die staatliche Pflichtfachprüfung wird bei einem der folgenden drei Justizprüfungsämter abgelegt. Alle Informationen zu Meldung, Ablauf und die Antworten auf die häufigsten Fragen findet Ihr auf den Websites der JPAs:

JPA beim OLG Düsseldorf

JPA beim OLG Hamm

JPA beim OLG Köln